Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Initiative gegen Gentrifizierung und Nachverdichtung in Kattenturm

                                                                                                                              Bremen, den 11. Januar 2019

Sehr geehrte Damen,

sehr geehrte Herren,

die Straße Auf dem Beginenlande in Bremen / Kattenturm ist eine ehemalige Werksiedlung, die im zweiten Weltkrieg für die Arbeiter der Focke Wulf Werke gebaut wurde. Heute leben dort vorwiegend Menschen mit kleinen Einkommen, Senioren, alleinerziehende Mütter, junge Familien, Studenten. Die Nachbarschaft ist intakt, man kennt und unterstützt sich in der Siedlung, die zurzeit noch von an die Mieter verpachteten Gärten umrahmt ist.

Die (Alt-) Mieten sind günstig. Die Grundausstattung der Wohnungen beinhaltete zum Heizen einen Kohleofen und in der Küche einen Durchlauferhitzer und eine Spüle mit Unterschrank. Die Mieter haben zum großen Teil die Wohnungen selbst renoviert, Einbauküchen gekauft, das Bad modernisiert und die Kohleöfen durch Gasöfen und in einigen Fällen auch Heizungen ersetzt. In den letzten drei Jahrzehnten hat die BREBAU in der Siedlung einmal die Fenster in den Wohnungen  erneuert (die alten Fenster waren einfach verglast), die Holzgeländer an den Balkonen ersetzt und einmal! die Haustüren gestrichen (sehr schlecht gemacht, ohne Grundierung), und den Zugang zum Dachboden gedämmt. In einige Wohnungen wurde nach Auszug der Mieter das 50er Jahre Bad erneuert. Das war alles. In 25 Jahren.

Jetzt plant die BREBAU die Bebauung der Pachtgärten hinter den Häusern mit Reihenhäusern – mit dem daraus erwirtschafteten Geld möchte die BREBAU die Wohnungen Auf dem Beginenlande modernisieren. Küche, Bad, Fußböden, Treppenhäuser, Haustüren, Heizung durch Fernwärme – dadurch verkleinern sich die privaten Kellerräume der MieterInnen, zweifelhafte Innendämmung (Schimmelgefahr).

Was das bedeutet:

  • Den Mietern werden die Gärten gekündigt. Damit wird der Lebensraum für zahlreiche Vögel, Insekten, Fledermäuse, Igel, Eichhörnchen, Frösche und Kröten zerstört. Alte Baum- und Pflanzenbestände werden vernichtet. Menschen mit kleineren Einkommen wird die Möglichkeit genommen, einen Garten in Wohnungsnähe zu bewirtschaften, in dem auch die Kinder sicher spielen können
  • Die Bauphase wird mit einer erheblichen Lärm- und Schmutzbelästigung für die Mieterinnen und Mieter einher gehen – und das über einen Jahre umfassenden Zeitraum
  • Welche Folgen die Auskofferung und das Befahren der jetzigen Gärten mit schwerem Gerät für die Statik der im Schnitt 80 Jahre alten Häuser haben wird, ist nicht absehbar. Ein Randhaus ist bereits vor mehreren Jahren abgesackt und musste abgerissen werden
  • Die Bebauung nimmt den Mietern das Licht, die entstehende Enge hat im Zuge des Klimawandels auch Auswirkungen auf Windverhalten und Aufheizung der Häuser, wo sich die Hitze dann  zwischen den Mauern staut
  • Die zukünftigen Eigentümer der Reihenhäuser werden Autos haben und Parkmöglichkeiten dafür benötigen. Das Verkehrsaufkommen wird die Wohnqualität weiter beeinträchtigen
  • Wie attraktiv die Wohnlage wirklich ist – eingekeilt zwischen Blocks und Reihenhäusern in einem sozial benachteiligten Stadtteil, der dann noch weniger Grün und dafür noch mehr Menschen hat, sei dahin gestellt. Nicht jeder Hausbesitzer fühlt sich wohl, wenn ihm die Nachbarn von gegenüber direkt in die Zimmer und auf die Terrasse schauen (und umgekehrt ebenso)
  • Für die anschließende Modernisierung müssen die Mieter aus ihren Wohnungen ausziehen. Bäder und Küchen werden erneuert, Fußböden herausgerissen –natürlich auch bei allen, die selbst eine Einbauküche gekauft, das Bad renoviert und Laminat oder Parkett verlegt haben  (und das ist ein vielfach von Mietern in Eigenleistung erbrachte Standard –  denn die BREBAU hat drei Jahrzehnte so gut wie nichts gemacht  und das den Mietern überlassen).
  • Die Mieten werden immens steigen und viele der Mieter werden sie sich dann nicht mehr leisten können. Wohnungen mit Mieterwechsel in jüngerer Zeit sind schon jetzt doppelt so teuer wie Wohnungen mit Altverträgen. In der Tat erhöht die BREBAU bei Mieterwechsel die Grundmiete inzwischen um fast 100% - ohne irgendetwas an der Wohnung zu renovieren. (Mietverträge und Angebote liegen uns vor). Das funktioniert ganz prima – toll, wie die Gesetzeslage hier begünstigend eingreift. Wo platzieren Sie als Bürgermeister sich da eigentlich? Trotz dieser immensen Mieterhöhung müssen neue Mieter dem Vormieter oft die Heizung oder den Gasofen abkaufen – denn auch die sind in den meisten Fällen Privatbesitz der Mieter.  Den Allgemeinzustand der Häuser illustriert der beiliegende Kalender sehr eindrucksvoll – die BREBAU vergisst hier gerne ihre Pflichten. Um einen Gentrifizierungsprozess durchführen zu können, ist eine renovierungs- bzw. sanierungsbedürftige Bausubstanz Voraussetzung. Durch lange Jahre des Unterlassens schafft die BREBAU hier Tatsachen, die sie jetzt als Begründung für ihre weitere Modernisierungsplanung nimmt.
  • Nach der Modernisierung soll ein Aufschlag von weiteren € 55,00 bis € 125,00 (je nach Wohnungsgröße) erfolgen, so die BREBAU bei der Mieterversammlung im Mai 2018. Natürlich werden die Mieten dann auch einheitlich auf den höchsten Standard angepasst – nette Schreiben mit „Vergleichsmieten“ gehen dann an alle MieterInnen heraus. Das bedeutet, eine 36 m² große Wohnung kostet dann kalt ca. € 500,00, eine 59m² große Wohnung ungefähr € 750,00. Dazu kommen Strom- und Heizkosten. Und die Mieten werden weiter steigen – jedes Jahr, in dem es gesetzlich machbar ist. Wir kommunizieren neuen NachbarInnen / InteressentInnen ganz offen, was der derzeitige Mieter  zahlt – und was sie zahlen werden. Was das für das soziale Gefüge bedeutet, wenn Menschen in einer Straße für gleichwertige Wohnungen so extrem unterschiedliche Mieten aufbringen müssen (Gesamtmiete € 350,00 oder € 570,00 zurzeit für 59m²), kann man sich auch mit wenig  Phantasie gut selbst vorstellen.
  • Die Mieter sind an einer Luxussanierung nicht interessiert.
  • Leider gibt es auch auf Ortsamtsebene Stimmen, die die geplanten Veränderungen positiv sehen. Uns wurde gesagt, dass durch den Bau von Reihenhäusern hier „andere Menschen“ hinziehen, die auch „andere Bedarfe“ hätten, was den Stadtteil insgesamt aufwerten wird. Im Umkehrschluss könnte man meinen, dass die derzeitigen BewohnerInnen abwertende auf den Stadtteil wirken. Was für „andere Bedarfe“ die neuen ReihenhausbesitzerInnen haben, ist uns unklar. Bereits jetzt gibt es bedingt durch die hier lebende Bevölkerung Bedarfe an Kindergärten, Schulen, Ärzten und Fachärzten sowie Einkaufsmöglichkeiten. Wir würden uns freuen, wenn die Ortsamtsleitung uns den Unterscheid einmal darlegt.
  • Wer soll zu den neuen Preisen dann hier wohnen? Oder anders gefragt: Wo sollen die wohnen, die sich dann nicht einmal das Beginenlande leisten können?

 

Wir fordern:

1.       Erhalt der bestehenden Pachtgärten und Grünanlagen für  Bewohner, Tiere und Insekten

2.       Sinnvolle und substanzerhaltende Sanierung der Häuser, zu der die BREBAU verpflichtet ist, die sie aber bislang nicht vorgenommen hat:

  • Die schönen Friesenhaustüren fallen nahezu auseinander, haben Risse und kaum noch Farbe. (Spachteln, Grundieren, Streichen ist hier gefordert).
  • Die Keller sind feucht, man kann dort nichts lagern, alles schimmelt. In den Kellerräumen fällt der Putz von den Wänden. Die Balkontüren der unteren Wohnungen sind nicht sicher. Sie können leicht ausgehebelt werden. Es hat bereits zahlreiche Einbrüche gegeben.
  • Die Keller haben teilweise noch Fenster aus der Zeit des Erstbezugs in den 1930er / 1940er Jahren, die man von Hand aufdrücken kann und durch die auch Wärme verloren geht.
  • Der Bereich hinter den Häusern,  wo die Gärten liegen, die Balkone sind, die Mieter ihre Wäsche trocknen und die hier lebenden Kinder spielen, ist nicht abgegrenzt.  Es gibt Massen an unerwünschtem „Tourismus“, Menschen, die hier nicht wohnen, die Keller und Parterrewohnungen ausspähen, Müll und Flaschen in die Gärten werfen und ihre Hunde frei laufen und die Wiesen als Hundeklo nutzen lassen. Wir fordern, dass der Bereich den Mietern vorbehalten bleibt – jeder kann schließlich auf der Straße spazieren gehen. Hinter den Häusern sollte der Raum privat sein. Dies ließe sich einfach erreichen, in dem an den Endseiten und auch in einigen der Durchgänge Tore eingebaut werden.

3.       Erhalt von bezahlbaren Mieten für die Menschen, die in der Straße wohnen: Senioren, Studenten, Alleinerziehende, junge Familien

  • Die Mieter sind zufrieden mit dem Standard der Wohnungen – und sie können ihn bezahlen. Was die BREBAU plant, ist so nicht gewünscht und auch nicht nötig.

4.       Eine Begrenzung der möglichen Mieterhöhung bei Mieterwechsel auf 10 % der Grundmiete.

5.       Offenlegung der Zahlen: Was hat die BREBAU mit den Mieteinnahmen der letzten 30 Jahre gemacht, da ja kein Cent übrig war, um auch 

         nur die Haustüren zu streichen?

6.       Offenlegung des kompletten Modernisierungskonzepts für die Straße

7.       Offenlegung des Finanzierungskonzepts für die Modernisierung

8.       Offenlegung der Gutachten, die für die Bebauung der Gärten nötig sind.

9.       Erhalt der guten sozialen Durchmischung der Nachbarschaft – keine Gentrifizierung

Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung, freuen uns über eine Stellungnahme, die wir gerne auf unserer Website veröffentlichen. Was halten Sie von einer Nachverdichtung Auf dem Beginenlande / Kattenturm? Kattenturm hat als sozial benachteiligter Stadtteil in den vergangenen Jahren bereits unglaubliche Integrationsleistungen erbracht – wir würden solche Erfolge im Bereich Integration auch anderen Stadtteilen wie z.B. Horn-Lehe, Schwachhausen und Oberneuland gönnen.
Im Sinne unserer Anliegen schließen wir ein Bürgerbegehren nicht aus!

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag der Bürgerinitiative Lebendiges Beginenlande

Wiltrud Hoffmann